Mit dem Hund durch die Nacht spazieren…

32jährige Landshuterin kämpft um ihre Zukunft

Nach der langen Leidenszeit hofft Nadine Netzer auf „Hundstage“. Sommer, Sonne, See. Viele Menschen begegnen sich im Freien, verbringen Zeit in Gemeinschaft, ungehemmt und unbeschwert. Aber dafür braucht die 32jährige Landshuterin einen speziell ausgebildeten Assistenz-Hund. Denn sie leidet unter einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung (K-PTBS). Was für Andere Alltag ist, ist für sie ein Hürdenlauf. „Viele Geräusche und Gerüche oder menschliche Berührungen bringen mich in einen hilflosen Zustand. Dann verliere ich die Orientierung, kann nicht mehr sehen, sprechen und erstarre oder zucke manchmal sogar“, erklärt Nadine Netzer ihren Zustand.

„Umarmungen sind das Schlimmste“, bedauert die junge Frau, „das geht gar nicht.“ Nach einer Umarmung gegen ihren Willen kamen bei ihr die verdrängten Erinnerungen an erlebte Gewalt und Übergriffe wieder hoch. 2018 sei sie „komplett abgestürzt“, wie die Religionspädagogik und kirchliche Bildungsarbeit Studierende ihr Eintauchen in die Einsamkeit nennt.
Vor dem Ausbruch ihrer Krankheit war Nadine Netzer ein positiver und sozial engagierter Mensch. Besonders ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Kirche zählt sie zu den „absoluten Blütezeiten“ ihres Lebens. Die einstige Katholikin konvertierte in die evangelische Kirche, weil sie einen großen Traum hatte: „Ich wollte Pfarrerin werden, das kann ich in der katholischen Kirchen nicht“, bedauert Netzer. Ihre katholischen Wurzeln schätzt sie aber nach wie vor: „Die ritualisierte Frömmigkeit, die spirituelle Praxis mit Weihrauch zum Beispiel, faszinieren mich bis heute.

In der evangelischen Christuskirche in Landshut hat sie viele Arbeitsbereiche tatkräftig unterstützt: Kindergottesdienste, Konfirmanden- und Jugendarbeit, sowie im Kirchenvorstand mitarbeiten. In ihrer zweiten Amtsperiode schlug dann die Krankheit zu.

Heute liegt Nadine Netzer in einer Spezialklinik und hofft darauf, dass ihre „Hundstage“ ein Ende finden. Dafür braucht sie einen speziell für ihre Bedürfnisse ausgebildeten K-PTBS-Assistenzhund.  Mit dem Hund könnte sie wieder alleine rausgehen, am sozialen Leben teilnehmen und auf Menschen zugehen. Denn der Hund sorgt für Orientierung, holt notfalls Hilfe und beruhigt mit einer speziellen Methodik das Nervensystem von Nadine Netzer. „Ohne einen solchen Assistenzhund werde ich wohl kaum mehr in Gemeinschaft leben können“, bedauert Netzer.
Das Dilemma für die einstige engagierte Christin: „Die Ausbildung des Assistenzhundes kostet 28.000 Euro!“ Der Hund wird ganz individuell für Nadine Netzer und ihre spezielle Belastungsstörung trainiert. „Wir haben es auch schon mit billigeren Varianten versucht. Aber das hat nicht geklappt“, versichert sie. Da Nadine Netzer und ihre Familie das Geld für die Ausbildung nicht aufbringen können, haben sie ihre Krankenkasse und den Bezirk Niederbayern um Hilfe gebeten. „Leider erfolglos. Die Ämter schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu“, stellt  Netzer resigniert fest.

Als Christin gibt sie aber die Hoffnung nicht auf, dass sich etwas zu ihren Gunsten verändert. Deswegen haben Familie und Freunde auch eine Spendenaktion ins Leben gerufen. Unter https://www.gofundme.com/f/ptbsassistenzhund-fr-meine-schwester kann man für die Ausbildung des Assistenzhundes spenden.
Die Hoffnung, Pfarrerin im Ehrenamt werden zu können, hat Nadine Netzer noch nicht aufgegeben. Deshalb hat sie ihrem künftigen Assistenzhund auch einen hebräischen Namen gegeben: „Asra Achat“, mit der Nummer eins durch die Nacht spazieren…